Vom Yacht-Sachverständigen haben wir einen Tipp gekommen: In Varel soll es eine gute und günstige Werft geben, die auf Stahlboote spezialisiert ist und wo wir das Boot auch über den Winter an Land stehen lassen können. Nach anfänglichen Kontaktschwierigkeiten erreiche ich den Werftchef, und nach seiner Versicherung “kommt einfach vorbei, ich bin immer da” machen sich mein Freund Schmalzi, mein Vater und ich mit dem Auto auf den Weg nach Norddeutschland, ohne genau zu wissen, was uns in Varel erwartet.
Anstrengende zwölf Stunden dauert die Fahrt, dann erreichen wir am Abend Nordenham, wo wir die BRÖSEL wohlbehalten antreffen. Wir planen, zuerst von Nordenham über das Watt “Hoher Weg” nach Wilhelmshaven und dann am nächsten Tag über den Jadebusen nach Varel zu motoren. Für Kroatiensegler wie uns ist ein trockenfallender Hafen wie in Nordenham eine völlig neue Erfahrung, deshalb suche ich besonders sorgfältig im Tidenkalender und lege die Abfahrtszeit auf 4 Uhr Früh am nächsten Morgen fest. Das sollte uns genug Zeit geben, kurz nach Hochwasser aus dem Hafen und dann mit ablaufendem Wasser die Wesermündung hinaus bis zur Abzweigung des Fedderwarder Priels zu kommen. Der Wecker läutet pünktlich, es ist finster und saukalt. Der Motor mag keine tiefen Temperaturen und springt erst nach einigen Versuchen und unterschiedlichsten Vorgaseinstellungen an. Aus dem Überdruckventil im Seewasserkreislauf rinnt eine braune Brühe statt klarem Wasser, aber erstmal kein Grund zur Sorge, denken wir, also Leinen los! Trotz Vollgas rückwärts bewegt sich die BRÖSEL keinen Zentimeter vom Liegeplatz weg, wir stecken im Schlick fest! Anscheinend habe ich die Tide völlig falsch eingeschätzt, oder wir haben zu viel Zeit vertrödelt. Die Prüfung der Wassertiefe mit dem Handlot ergibt: Das Gewicht des Lots geht kaum unter, also nur mehr wenige Zentimeter Wasser da! Bei dieser braunen Schlicksuppe kann man die Tiefe auch überhaupt nicht einschätzen, im klaren Mittelmeerwasser wäre das nicht passiert. Aber es hilft nichts, wir legen uns wieder hin und verschieben die Abfahrt um einen Tag.
Die so gewonnene Zeit verbringen wir mit Ölwechsel und sonstigen kleinen Arbeiten und hoffen, dass von den Stegnachbarn keiner etwas von unseren nächtlichen Manövern mitbekommen hat. Am nächsten Tag stehen wir extra noch früher auf, und diesmal klappt alles. Im Finstern motoren wir die exzellent befeuerte Weser hinunter, weichen problemlos einigen großen Schiffen aus und passieren Bremerhaven noch im Dunkeln. Da der Fedderwarder Priel nicht mit Leuchtfeuern markiert ist, müssen wir dann etwa eine Stunde aufs Tageslicht warten. Es nieselt und ist noch sehr kalt, also keine sehr angenehme Wartezeit. Als es dämmert, biegen wir in den Fedderwarder Priel ein, hangeln uns von Tonne zu Tonne bis die ersten Pricken der Kaiserbalje in Sicht kommen, die flachste Stelle unserer Route. Es ist noch lange nicht Hochwasser (und nur dann kommt man dort drüber), daher werfen wir den sogenannten Anker (das Ding ist hohl, aus Alu und wiegt vielleicht 1 kg, es ist aber fast windstill und Strom gibt es hier auch keinen, daher muss das reichen) und verziehen uns unter Deck.
Zwei Stunden später befinden wir, dass jetzt Hochwasser sein müsste, und biegen in den Prickenweg ein. Etwa zwei Seemeilen vom Ufer entfernt motoren wir den Birkenstöcken entlang über das Watt. Mangels Erfahrung über die einzuhaltende Entfernung schwanken wir zwischen einer Handbreit und mehreren Meter zwischen Bordwand und Pricke, kommen allerdings ohne Grundberührung bis vor den riesigen, halb fertigen JadeWeserPort.
Von dort ist es nur mehr ein kurzes Stück am Militärhafen vorbei bis in den Nassauhafen, wo wir am Nachmittag erschöpft aber glücklich festmachen.