Venezuela! Von Touristen aufgrund der angespannten wirtschaftlichen und politischen Situation im Moment eher gemieden, entpuppt sich die Inselgruppe der Los Roques für uns als lohnendes Etappenziel auf dem Weg nach Westen.
Unter Seglern herrscht momentan fast einhellig die Meinung, ein Besuch in Venezuela käme so etwas wie einem Selbstmordkommando gleich. Bei genauerem Hinhören merken wir jedoch, dass die meisten der Schwarzseher ihre Horrorgeschichten nur über drei Ecken erzählt bekommen haben, während die, die wirklich eine der vorgelagerten Inselgruppen besucht haben, begeistert davon schwärmen. So beschließen wir nach reiflicher Überlegung, die Los Roques anzulaufen. Das Hauptargument für uns: Dieser Zwischenstopp verkürzt die Strecke von Martinique zu den ABC-Inseln um mehr als zwei Tage. Wir füllen die SAILOR MOON also bis obenhin voll mit Lebensmitteln und starten Mitte April 2016 von Martinique los.
Die ersten zwei Tage auf See kämpfen Jaqueline und ich wie immer ein wenig mit der Seekrankheit, doch dann ist das mulmige Gefühl verschwunden und wir könnten die Überfahrt eigentlich genießen. Willi hat jedoch andere Pläne, er weigert sich standhaft, nachts alleine oder neben mir zu schlafen und braucht immer seine Mutter und ihre Brust neben sich. Dadurch bleiben alle Nachtwachen an mir hängen, während Jaqueline dafür tagsüber fast ständig mit Willi beschäftigt ist, um auch mir ein paar Verschnaufpausen zu gönnen. Wind und Wetter meinen es dafür gut mit uns, wir sind recht schnell unterwegs und kommen nach vier anstrengenden Tagen und Nächten auf See ziemlich erschöpft auf Gran Roque, der Hauptinsel des Archipels, an.
Die Einklarierungsformalitäten gestalten sich zwar etwas langwierig und aufgrund sprachlicher Schwierigkeiten nicht ganz reibungslos, irgendwann haben wir aber alle drei den Einreisestempel im Pass, alle nötigen (und vermutlich auch einige unnötige) Gebühren bezahlt und unser Boot ordnungsgemäß deklariert. Der erste Landausflug mit Willi nimmt uns auch das letzte Bisschen Angst, die Leute sind unwahrscheinlich freundlich zu uns, Willis blonde Haare und blaue Augen öffnen in Südamerika offensichtlich Türen und Herzen. Wir verbringen zwei tolle Wochen zwischen den unbewohnten Koralleninseln des Archipels, am liebsten ankern wir aber trotzdem vor Gran Roque mit seinen netten und hilfsbereiten Bewohnern.