Endlich, wir machen Fortschritte mit unserer Ruderreparatur! Nach “nur” einem Monat steht die SAILOR MOON auf dem Trockenen! Bis dahin war es aber ein harter Weg:
Vier Wochen lang vertrösten uns die Marina-Mechaniker und verschieben unseren Krantermin wieder und wieder. Für uns ist das ziemlich frustrierend, weil wir uns jeden Morgen aufs neue bereitmachen und uns auch tagsüber kaum vom Schiff wegtrauen, wir könnten ja sonst den entscheidenden Zeitpunkt verpassen. Nur einmal, als der Wind besonders stark ist und wir schon in der Früh merken, dass es mit dem Kranen heute nichts werden kann, kaufen wir uns Tickets und besuchen die Nachbarinsel Santo Antao. Die Fähre legt in der Hafenstadt Porto Novo an, wir haben aber gehört, dass ein Ausflug in die Berge und auf die andere Inselseite besonders interessant sein soll. Wir sind etwas planlos und kennen weder die Namen von anderen Orten auf der Insel, noch wissen wir die ungefähre Richtung. In einem kläglichen Versuch Geld zu sparen lassen wir uns auf eine kleine Kraftprobe mit den lokalen Aluguer-Betreibern (eine Art Minibus) und Taxifahrern ein, schlagen zunächst alle Angebote aus und suchen in den kleinen Shops nach einer Landkarte. Nach einiger Zeit merken wir aber, dass die Taxi-Connection eisern zusammenhält und keiner bereit ist, Touristen wie uns für weniger als 40 Euro über die Berge auf die andere Inselseite und wieder zurück zu chauffieren. Im Gegenteil, durch unsere Verhandlungen haben wir zwar Porto Novo und seine Einwohner kennengelernt, aber uns bleiben nur mehr ein paar Stunden bis zur letzten Fähre zurück nach Mindelo. So bezahlen wir schließlich 50 Euro. Wahnsinnig günstig erscheint uns das nicht, aber auf der anderen Seite würde in Europa eine derartige “Taxifahrt” wohl noch deutlich mehr kosten.
Santo Antao ist dann wirklich beeindruckend, zuerst fährt man in einer total kahlen Vulkanlandschaft auf 2000 m hinauf, wo es plötzlich neblig, kühl, grün und feucht wird. Den Vulkankrater können wir leider aufgrund des Nebels nicht sehen, trotzdem bieten sich einige imposante Ausblicke auf bewachsene, senkrecht abfallende Felswände oder tiefe Schluchten und grüne Täler. Auf der anderen Seite, im Ort Ribeira Grande angekommen, gönnen wir uns und unserem Fahrer ein kleines Mittagessen, dann müssen wir auch schon zurück zur Fähre, diesmal über die neuere Küstenstraße. Ohne Nebel hätten wir wohl noch mehr gesehen, aber auch so waren wir äußerst beeindruckt.
Zurück in Mindelo geht das Warten erstmal weiter. Wir vertrösten uns mit dem einen oder anderen Strandausflug (das Wasser ist hier unwahrscheinlich türkis, sowas haben wir noch nie gesehen) und natürlich unseren obligatorischen Besuchen im Cafe del Mar. Außerdem hat der Afrika-Cup begonnen, und ich lasse mir klarerweise das erste Match der Kap Verden gegen Tunesien nicht entgehen. Man hat sogar eine kleine Leinwand aufgestellt, wo ein Haufen Leute vor einem ruckeligen Internet-Stream den geschenkten Elfer zum 1:1 bewundert.
Irgendwann ist dann angeblich der große Tag gekommen, der Mechaniker Cesar nimmt uns mit zum Werftgelände, damit wir uns ein Bild machen können. Plötzlich ist ein Kran nicht mehr nötig, wir können doch geslippt werden. Die Slipanlage ist zwar nicht mehr ganz taufrisch, funktioniert aber, nur 700 Euro erscheint uns ein bisschen viel dafür. Cesar erklärt uns, dass wir uns morgen um 9:30 bereithalten sollen, er hätte alles organisiert. Auf dem Rückweg zur Marina begegnen wir zufällig dem Chef der Anlage. Er lässt uns wissen, dass in den nächsten Tagen ein großes Fischerboot ins Wasser soll, und vor der nächsten Woche können wir nichts erwarten. Spätestens da merken wir, dass wir (nett ausgedrückt) nicht allzuweit oben auf der Prioritätenliste der Marinamechaniker stehen. Organisiert wurde augenscheinlich noch garnichts, und hätten wir den Boss nicht zufällig getroffen, hätten wir wieder einen Tag mit Warten verbracht. Wir haben genug und beschließen, uns nach Alternativen umzusehen.
Als erstes wenden wir uns an Milan, den Trans-Ocean-Stützpunktleiter hier in Mindelo. Er hat sein Boot mittlerweile in den benachbarten Fishing Club verlegt und erzählt uns, dass der Club vor einem Jahr von Leuten, die allesamt irgendwelche Probleme mit den Marinabetreibern hatte, gegründet wurde. Milan stellt uns Chida vor, der einige Motorboote der Sportfischer betreut und in Mindelo Gott und die Welt kennt. Chida nimmt sich Zeit für unser Problem und verspricht zu helfen. Im Gegensatz zu Milan nimmt er sich kein Blatt vor den Mund und lässt kein gutes Haar an den Marinabetreibern und ihren Mechanikern. Außerdem rät er uns von dem Werftgelände ab, dort hätte es schon öfter Probleme mit Diebstählen oder Überfällen gegeben. Sein Vorschlag ist, die SAILOR MOON mit Hilfe eines Autokrans im städtischen Fährhafen kranen zu lassen, und wir vertrauen ihm vollkommen. Schon am nächsten Tag hilft er mir, ein extra angefertigtes Antragsschreiben im richtigen Hafenbüro an den Mann zu bringen, wir bekommen den entsprechenden Stempel und bezahlen in irgendeinem anderen Office die Standgebühr. Dann organisiert er einen Kran für den nächsten Tag, obwohl da ein Feiertag ist (!!!).
Am nächsten Morgen kommt er in einem kleinen Dingi in die Marina und gibt das Startsignal. Wir bezahlen den Kran stundenweise, daher gilt es, keine Zeit zu verlieren. Leinen los, im noch immer vorhandenen Wind gar nicht so leicht, und raus aus der Marina. Jaqueline steht wie immer am Steuer, als nach 5 Metern plötzlich unser Ruder komplett den Geist aufgibt. Sie bringt das Boot trotzdem irgendwie heil aus der Marina, leider berühren wir die SEABELOW unseres deutschen Bootsnachbarn Jan leicht am Heck. Dieser will noch am selben Tag über den Atlantik und hat logischerweise große Angst um seine Windsteueranlage, doch wir können ihn beruhigen. Unser Anker hat nur leicht sein Heck gestreift, im Gelcoat ist nichtmal ein Kratzer zu sehen. Die SAILOR MOON treibt nun ruderlos im engen Ankerfeld, Jaqueline behält die Nerven und durch gefühlvolles Vor- und Rückwärtsfahren vermeidet sie eine Kollision. Wir überlegen kurz, die Segel zu setzen, aber die Windrichtung ist ungünstig und steuern könnten wir dann wohl auch nicht wirklich, und so mache ich mich auf den Weg zum Bug, um den Anker fallenzulassen. Zum Glück hat aber Chida vom Schlauchboot aus unsere Probleme mittlerweile mitbekommen, und er eilt zu Hilfe. Wir binden das kleine Schlauboot längsseits an die SAILOR MOON und durch koordiniertes Gasgeben können wir dieses Paket einigermaßen steuern. Beim Bug einer großen Fähre wird es nochmal knapp mit unserem Mast, aber auch das geht gut. Der Kran steht bereit, und mit großen Schwierigkeiten bugsieren wir unser Boot zwischen den Fischerbooten an den Kai. Fürs Kranen muss die SAILOR MOON noch umgedreht werden, auch das gelingt uns auf engstem Raum und mit mittlerweile vielen helfenden Händen. Dann geht alles schnell, ich prüfe persönlich mit der Taucherbrille den korrekten Sitz der Krangurte, und schon steht unser Boot auf einige Holzbalken gestützt an Land. Jaqueline und ich geben erstmal eine Runde Getränke an die Kranleute und helfenden Fischer aus, dann wird der Kran auch schon wieder zusammengelegt und weggefahren. Für uns bleibt kaum Zeit, uns von der Action zu erholen, denn bevor der Bewuchs am Unterwasserschiff trocknet, wollen wir das Ganze säubern. Hochdruckreiniger sind hier Fehlanzeige, deshalb machen wir uns mit Bürsten und Fetzen bewaffnet an die Arbeit. Die Fischer zeigen uns, dass kleine Stücke von Fischernetzen optimal geeignet sind, um Algen zu entfernen, und mit ihrer Hilfe sind wir nach ein paar Stunden fertig. Wir sind ein bisschen stolz auf unsere Arbeit im letzten Jahr in Varel, das Unterwasserschiff sieht wirklich gut aus, kein Rost oder abplatzender Lack, und auch der Antifoulinganstrich hält sicher noch mindestens ein Jahr. Dann gönnen wir uns eine letzte Dusche in der Marina, bevor wir die Chip-Karte zurückgeben und von jetzt an auf Salzwasserduschen, WCs in Kaffeehäusern oder (im Notfall) den guten alten Kübel angewiesen sind – unser Bord-WC kann an Land natürlich nicht verwendet werden.
Trotzdem sind wir so gut gelaunt wie schon lange nicht, endlich ist ein Fortschritt erkennbar (auch die ganzen Ameisen, die durch unser offenes Abflussventil (?!) den Weg in unser Boot gefunden haben, können unsere Laune nicht trüben)! Gemeinsam mit Chida organisieren wir einen Mechaniker, der hoffentlich morgen pünktlich da ist und uns hilft, unser Ruderlager zu erneuern und den Skeg zu verstärken. Wenn alles klappt, wollen wir nächste Woche wieder ins Wasser, dann noch ein bisschen einkaufen, unsere Genua nähen und dann soll es wirklich losgehen mit der Atlantiküberquerung!
Toi Toi Toi
Für die Reparatur und dann für ein richtiges Wetterfenster über den großen Teich!