Die Roques gefallen uns, und wie! Nach ein paar Tagen in der “Stadt” auf der Hauptinsel Gran Roque holen wir den Anker auf und motoren als Erstes die paar Meilen zur Nachbarinsel Francisquis. Genaue Seekarten von all diesen Riffen sind Mangelware, die letzte Vermessung stammt wohl noch aus dem vorvorigen Jahrhundert, und unsere digitalen Seekarten erweisen sich als völlig nutzlos. Auch im Segelhandbuch für Venezuela heißt es nur lapidar “eyeball your way between the reefs into the bay”, was soviel bedeutet wie “klettere in den Mast und versuche von oben, die Riffe zu erkennen und ihnen auszuweichen”. Für uns, die wir bisher die detailliert vermessenen Küsten Europas und Brasiliens entlanggesegelt sind, ist diese so genannte “Augapfelnavigation” etwas neues, und wir sind ein bisschen aufgeregt. Ich klettere ein paar Meter den Mast hoch, und von oben kann man die Korallenriffe wirklich gut erkennen. Der Passatwind bläst stark, und Jaqueline am Ruder kann mich kaum hören. Ich schreie “Mehr rechts!” oder “Scharf links!” von oben, Jaqueline schreit “Was hast du gesagt?” vom Cockpit aus und Willi schreit in der Achterkabine, weil sich keiner um ihn kümmert. Dazu noch ständig die Angst, dass irgendwann plötzlich der Kiel auf einen Felsen rumpelt, es ist ein Heidenspaß. Es geht aber alles gut, das Echolot fällt nie unter drei Meter, und wir ankern bald in einer traumhaft schönen Lagune. Tagsüber sind ein paar Kite-Surfer da, doch in der Früh und abends haben wir den Strand ganz für uns alleine. Das Wasser ist kristallklar und die Wassertiefe steigt nur ganz langsam an, perfekte Bedingungen für Willi, um ein bisschen zu planschen. Wir verbringen zwei tolle Tage mit Schwimmen, Schnorcheln und Relaxen am Boot. Einziger Wehrmutstropfen: Die Strandbar hat wohl wegen der ausbleibenden Gäste momentan geschlossen, ein kühles Bier zum Sonnenuntergang wäre noch die Krönung gewesen, aber gut, das ist Jammern auf hohem Niveau. Der Rückweg nach Gran Roque ist bedeutend leichter, wir folgen einfach unserem GPS-Track von der Herfahrt, und kommen so problemlos durch die Riffe und wieder auf unseren alten Ankerplatz zurück.
In Gran Roque leben nur ca. 1500 Menschen, und nicht zuletzt dank Willi lernen wir bald ein paar der Einwohner kennen. Im Restaurant Aquarena essen wir mehrmals für umgerechnet ca. 5 Euro hervorragenden Fisch, während die Kellnerinnen Willi unterhalten. Auch die Verkäuferinnen in den verschiedenen kleinen Shops kennen Willi bald beim Namen. Man hat sich hier so gut als möglich mit der schwierigen Situation in Venezuela arrangiert, Geldzählmaschinen gehören zum Standardinventar von Geschäften und Restaurants, die nutzlos gewordenen Münzen werden als Markierungssteine für Bingo verwendet… Trotzdem ist es aber offensichtlich, dass selbst touristisch stark erschlossene Gebiete wie die Los Roques unter der tristen wirtschaftlichen Lage im Land zu leiden haben, vor allem wegen der ausbleibenden Gäste. So wirklich zugeben will das keiner, aber viele der Restaurants öffnen selten bis gar nicht, frisches Obst oder Gemüse kann man als Uneingeweihter nirgends bekommen, und die meisten der wirklich sehr hübschen Pousadas sind nicht ausgelastet. Was auch immer die Gründe für die Entwicklungen der letzten Jahre sind, offensichtlich haben die, die am wenigsten dafür können am meisten darunuter zu leiden. Venezuela muss ein tolles Land mit wirklich freundlichen und offenen Menschen sein, wir können nur hoffen, dass sich die Lage möglichst bald wieder bessert.
Am Flughafen herrscht nach wie vor viel Betrieb, besonders am Wochenende kommen doch immer noch einige Gäste, meist aus Venezuela oder Argentinien. In der kleinen Bar nebenan verbringen wir einmal einen ganzen Nachmittag und haben viel Spaß dabei, einem der Flughafenmitarbeiter dabei zuzuhören, seine Meinung zu Allem und Jedem kund zu tun, sprachliche Barriere hin oder her.
Nach ein paar Tagen machen wir die SAILOR MOON aber wieder seeklar und besuchen zwei weitere Inseln. Auf Crasqui ankern wir ganz alleine vor einem kilometerlangen Sandstrand, als eines Morgens plötzlich ein Fischerboot bei uns längsseits geht. Die Fischer fragen uns nach einer Limette, ob für irgendeine spezielle Fischfangtechnik oder den Drink danach verraten sie uns nicht. Und wirklich, Jaqueline findet in der Bilge ein letztes, nicht mehr ganz so frisches Exemplar, eingekauft noch in Martinique. Doch die Fischer sind zufrieden, schenken uns zum Dank drei Fische, dürfen noch Jaquelines frisch gebackenen Kuchen probieren und legen glücklich wieder ab. Ob sie meine erfolglosen Angelversuche am Tag zuvor beobachtet haben? Aber am besten man lässt doch die Profis arbeiten, wir bereiten die Fische mehr oder weniger fachgerecht für die “consumption as a whole” vor und genießen um 10 Uhr Vormittags gebratenen Fisch mit Reis vor einem Traum-Sandstrand, wer kann das schon von sich behaupten?
Auf den Noronsquises leben unzählige schwarze Eidechsen, mehr als einmal müssen wir sie von unserem friedlich schlafenden Willi herunterscheuchen. Auch hier gibt es einen wunderschönen Strand, viele Vögel und endlich wieder unser neues Lieblingstier, Wasserschildkröten! Jaqueline und ich sind uns zwar uneinig, ob die kleinen Exemplare im seichteren Wasser Baby-Schildkröten oder eine andere Art sind, aber trotzdem beobachten wir fasziniert, wie die Tiere gemütlich langsam das Seegras abweiden und hin und wieder zum Luftholen an die Oberfläche tauchen. Außerdem beobachten wir unzählige Wasservögel, Flamingos (leider nur aus der Ferne), und unsere ganz speziellen Freunde, die Pelikane. Anfangs scheu, werden sie nach ein paar Tagen am selben Ankerplatz mutiger und lassen sich besonders gerne auf unserem Bugkorb nieder. Das wäre ja kein Problem, wenn sich nicht jedesmal ein furchtbarer Fischgeruch in unserem Boot ausbreiten würde – der Bugkorb liegt direkt vor unserer offenen Luke, und da ein ankerndes Boot sich immer in den Wind dreht, riechen wir unsere Gäste innerhalb von Sekunden. Außerdem verspritzt der kräftige Wind die Hinterlassenschaften überall hin, sogar bis in die Kabine, deshalb wird Pelikan-Verscheuchen eine neue Hauptbeschäftigung, bis wir aufgeben und den Ankerplatz wechseln.
Zurück auf Gran Roque wird die SAILOR MOON zum zweiten Mal vom venezoelanischen Militär inspiziert. Beim ersten Mal galt der Besuch der Suche nach Drogen, die dank des beschränkten Platzangebotes unter Deck, das sogar den Beamten verwundert hat, recht schnell wieder beendet war. Beim zweiten Mal bringen die Soldaten jedoch gleich ihr Mittagessen mit und machen sichs im Cockpit gemütlich, während ihr Hund unter Deck heimlich Jaquelines gerade frisch gebackenen Kuchen vom Ofen stiehlt und genüsslich verdrückt. Wir unterhalten uns ein bisschen mit den Soldaten, aber unser mickriges Spanisch und der langsame Google-Übersetzer geben nicht viel her für Smalltalk, also sitzen wir uns gegenüber und grinsen uns freundlich an. Die paar Schiffsdaten in ihrem Buch sind schnell ausgefüllt, und endlich werden die beiden wieder abgeholt. Beide Inspektionen verliefen total freundlich und ohne Probleme, aber was passiert wäre, wenn wir uns illegal in Venezuela aufgehalten oder ein paar Joints dabeigehabt hätten, möchten wir uns lieber nicht vorstellen.
Die zwei Wochen vergehen schnell, und am Freitag, den 27. Mai 2016, klarieren wir ganz offiziell auf den Los Roques aus, das Ziel heißt – nach einem kurzen, geplanten Zwischenstopp – Bonaire. Wir verlassen Venezuela mit vielen neuen und intensiven Eindrücken, die Buchten, Riffe und Strände sind wirklich traumhaft, die Leute offen und herzlich. Wir sind froh, allen Warnungen zum Trotz hergekommen zu sein, und wir sind uns sicher, dass wir uns in Zukunft noch öfter an einen der wunderschönen Ankerplätze zwischen den Koralleninseln zurückwünschen werden.
Ihr habt es ja wirklich superschön. Der Willi sieht auch sehr zufrieden aus! ..und den Kuchen werdet Ihr wohl noch verkraften!?
Liebe Gruesse!
Wo&Ma
Der Willi kann sitzen?
Wir wollen ein Foto sehen 🙂
Hallo ,viele Wünsche und Grüße Oma .
Viele liebe Gruesse von Dorothea und Oma Margareta aus der Zuckerkandlgasse. wir haben gerade eure tollen Photos bewundert. esIst schoen lauter so froehliche Gesichter zu sehen!