Lange war ich faul und habe die “Arbeit” vor mir hergeschoben, aber jetzt ist es soweit, es gibt endlich einen vorerst letzten Blogeintrag, der quasi das erste Kapitel unserer Reise abschließt. www.gowesst.com soll ein Segelblog bleiben, deshalb werden wir euch nicht allzuviel mit Stories aus Österreich langweilen. Wenn sich aber irgendetwas Reise- oder Bootsbezogenes tut, werden wir selbstverständlich hier darüber berichten.
In Jacare ist die Lage unverändert, ich arbeite den Tag über am Boot und treffe mich abends mit Tom auf ein Steak und ein, zwei Bier in der Marina. Auch Toby und Julie sind für ein paar Tage wieder gemeinsam auf ihrer SUNFLOWER, bevor die beiden nach Argentinien aufbrechen, wo Julies Familie zum ersten mal ihren Verlobten kennen lernen soll. Sie geben im Yachtclub eine Abschieds-Grillparty, zu der netterweise auch ich eingeladen bin. Es wird ein lustiger Nachmittag an der Poolbar, und nach einigen Bieren macht es auch gar nichts mehr aus, dass Toby und ich kein Wort portugiesisch sprechen, wir unterhalten uns trotzdem ganz ausgezeichnet mit Bernardo, Beta und der restlichen Yachtclub-Gang. Tobys “usual party trick” (sic!) bei dem er von einer Sekunde auf die andere an der Bar einschläft, markiert das Ende des Abends; Julie findet die Darbietung allerdings weniger lustig als wir anderen.
Ein paar Tage später bin ich zu einem anderen Fest im Yachtclub eingeladen. Viele der Gäste haben sich extra Kostüme genäht, auch eine Band wurde engagiert und die Stimmung ist gut. Anscheinend wird eine Art Erntedankfest gefeiert, und die Kostüme sollen die Kleidung der Landbevölkerung aus früherer Zeit darstellen, ganz verstehe ich den Hintergrund jedoch nicht. Als Höhepunkt findet dann zu späterer Stunde eine Fake-Hochzeit statt. Fabia, eine der Yachtclub-Ladies, verkleidet sich als Priester mit Zahnlücke und “traut” Carolina und Guilherme, die auch im richtigen Leben vor Kurzem geheiratet haben. Dem johlenden Publikum nach zu urteilen macht sie ihre Sache gut, ich verstehe natürlich wiedermal kein Wort.
Die SAILOR MOON bringe ich soweit es geht auf Vordermann, und nach einem letzten Grillabend in der Marina gemeinsam mit Tom, Kevin, Brian und vielen anderen Seglern trete auch ich die Heimreise an. Am 17. Juni 2015 lande ich am Flughafen Wien, wo mich Jaqueline und meine Mutter netterweise abholen. Die ersten Tage verbringen wir gemeinsam bei meinen Eltern in Mödling, aber da unsere Auslandskrankenversicherung das Heimatland nicht abdeckt, muss ich mich schon bald nach einem Job umsehen, damit Jaqueline wieder sozialversichert ist – sie ist immerhin schon im sechsten Monat schwanger und wir wollen nichts riskieren. Ich habe großes Glück und kann wieder auf der Universität für Bodenkultur in Wien anfangen, wo ich auch schon vor unserer Abreise gearbeitet habe. Mein Vertrag beginnt schon am 1. Juli und läuft bis Ende Dezember 2015, das Timing ist für uns also perfekt. Einzig unseren Plan, gemeinsam bei Jaquelines Eltern im Burgenland zu wohnen, müssen wir leider aufgeben, jeden Tag ca. 4 Stunden zu pendeln, wäre zuviel. Glücklicherweise lebt aber meine Großmutter schon seit Jahrzehnten im 19. Wiener Gemeindebezirk, mit dem Rad nur ein paar Minuten von meinem neuen alten Arbeitsplatz entfernt. Sie bietet mir an, unter der Woche bei ihr zu wohnen, was ich dankend annehme. So bin ich jetzt tageweise zwischen Wien, Mödling (meinen Eltern) und Jaquelines Elternhaus im Burgenland unterwegs, ein durchaus abwechslungsreicher Alltag. Jaqueline ist meist bei ihren Eltern in Neckenmarkt, wo sie dank der heißen Temperaturen ihre neu erworbene Saisonkarte für das Freibad im übernächsten Ort fleißig ausnützen kann. Die Hitze macht ihr ab und zu ein wenig zu schaffen, sonst geht es ihr aber gut, und auch das Baby wächst und wächst.
Jaqueline trifft bei einem Eis in Oberpullendorf einen ihrer ehemaligen Geographielehrer aus HAK-Zeiten, und als sich dann unser Österreich-Kurzaufenthalt im Lehrerzimmer herumspricht, werden wir eingeladen, an einem der letzten Schultage vor den Ferien vorbeizukommen und ein bisschen über unsere Reise zu berichten. Wir bereiten eine kleine Präsentation vor und erzählen dann in vier aufeinanderfolgenden Schulstunden zwei ersten, einer dritten und einer vierten Klasse von unseren Erlebnissen. Wie sehr die Schüler an wirklich an unseren Schilderungen interessiert sind, können wir nur schwer abschätzen, aber zumindest hören sie uns brav zu und stellen sogar ein paar Fragen. Von einer Klasse bekommen wir sogar schriftliches Feedback. Auf jeden Fall eine neue und interessante Erfahrung, und für die Schüler eine nicht besonders anstrengende Schulstunde, was will man mehr.
Die Vorbereitung der Präsentation war für uns eine gute Gelegenheit, nochmal alle unsere Fotos und Blogeinträge zu durchforsten und das letzte Jahr ein bisschen Revue passieren zu lassen. Wir haben genau 5001 Seemeilen (ca. 9260 km) zurückgelegt, zehn verschiedene Länder besucht und immerhin einen Ozean überquert. Am Ende waren wir schon fast rekordverdächtig langsam unterwegs, zwei Monate Kap Verden, dann drei Monate in Brasilien… Für insgesamt einem halben Jahr Aufenthalt in portugiesischsprachigen Ländern sind unsere Sprachkenntnisse zwar grottenschlecht, wir sind aber irgendwie zu Fans von der portugiesischen Lebensart und Kultur geworden.
Wie geht es jetzt mit uns weiter? Mitte Oktober wird unser Sohn auf die Welt kommen, und für mich solls dann kurz nach Weihnachten wieder zurück nach Brasilien gehen. Im Februar kommen dann Schmalzi und Resa vorbei und wir segeln die SAILOR MOON zu dritt nach Tobago oder Grenada. Dorthin wird dann Jaqueline gemeinsam mit unserem Baby kommen, und wir planen dann, durch die Karibik in die USA zu segeln. Mal sehen, ob dass alles so klappt, wie wir uns das vorstellen – es wäre nicht das erste Mal, dass wir unseren Plan komplett ändern würden.