Nach fast zwei Wochen in Jacare haben wir uns mittlerweile gut akklimatisiert und uns mit dem entspannten brasilianischen Lifestyle vertraut gemacht. Oft positiv überascht, manchmal auch durch leidvolle Erfahrung haben wir folgendes über Brasilien gelernt:
- Drive-In-Bankomaten erlauben bequemes Geldabheben, ohne aus dem Auto aussteigen zu müssen
- Nirgendwo muss man stehen, Sitzmöglichkeiten gibt es überall (z.b. im Supermarkt)
- Das Ausweisen von Öffnungszeiten, Busfahr- und Netzplänen ist überbewertet
- Preisangaben verlocken zu Schnäppchenkäufen, aber Vorsicht: oft ist das nur eine Ratenzahlung von vielen!
- Man ist nicht der einzige, der stundenlang vor einem geschlossenen Shoppingcenter wartet (Aber auch hier gibt es Sessel!)
- Um den Zug zu benützen, muss man nicht lesen können: Jede Station hat auf der Karte ein eigenes, passendes Symbol
- Grüne Ampel = fahren, rote Ampel = erst kurz schauen, dann fahren
- Es ist schwierig, sich über andere Autofahrer aufzuregen, da quasi jedes Auto überall verdunkelte Scheiben hat
- Ein Typ, der täglich auf seinem Saxophon Ravels “Bolero” spielt, ist eine riesige Touristenattraktion und muss unbedingt fotografiert werden
- Überall findet man Restaurants, wo man per Kilo bezahlen muss und dadurch schonungslos vor Augen geführt bekommnt, wieviel man eigentlich isst
- Brasilianische Frauen können ein weit besseres Grillfeuer anzünden als jeder Europäer
- Positive Worte über die Präsidentin kommen nicht gut an (besser ist “bitch” oder Ähnliches)
- Wenn man sich als Brasilianer ein Motorboot leisten kann, muss man auch in die dazupassende Soundanlage investieren und bei jeder Gelegenheit voll aufdrehen
So gerüstet, riskieren wir unseren ersten Ausflug in die nahe 600.000-Einwohner-Stadt Joao Pessoa. Der Zug von Jacare kostet umgerechnet knappe 15 Cent pro Person, dafür darf man dann den ganzen Tag auf der insgesamt nur 30 Kilometer kurzen Strecke zwischen Cabedelo und Santa Rita hin und her pendeln, falls man will. Nach ca. 20 Minuten sind wir in Joao Pessoa, wo wir gemeinsam mit den Holländern Anita und Dick von der KIND OF BLUE zuerst mal die Altstadt rund um den Bahnhof erforschen. Es gibt nette Straßen mit alten portugiesischen Häusern, ein modernes Einkaufszentrum, haufenweise Kirchen, viele Parks und sogar einen kleinen See. Die Firmen und Geschäfte sind hier räumlich geordnet, es gibt ganze Straßen nur mit Ärzten und Spitälern, Autozubehör-Läden, Möbelgeschäften, Apotheken oder Optikern (Wobei die Optiker sich nicht ganz an die Aufteilung halten, oder es sind einfach zu viele: Gefühlt jeder dritte Shop verkauft Brillen, wer die alle kaufen soll, ist uns schleierhaft). Bald wird es allerdings zu heiß, und wir setzen uns in ein kleines Cafe, wo Jaqueline Unmengen an frisch gepressten Obstsäften trinkt, die man hier wirklich überall und in ausgezeichneter Qualität bekommt. Später versuchen wir vergeblich, einen kleinen 12-Volt-Ventilator aufzutreiben, der die Lebensqualität auf der SAILOR MOON sicher deutlich verbessert hätte. Bald sitzen wir aber schon wieder im Zug zurück nach Jacare.
Die nächsten Tage lernen wir auch die andere, “moderne” Seite von Joao Pessoa kennen: Hohe, neue Wohnhäuser, viele Restaurants, riesige Supermärkte und ein ganz neues Einkaufszentrum wechseln einander ab. Wir probieren ein paar Buslinien aus, lernen, dass man immer 2,45 R$ bezahlt, egal wie weit man fährt, und versuchen uns die Strecken und Busnummern zu merken. Mit der Zeit und nicht zuletzt dank unseres neu angeschafften Portugiesisch-Phrasen-Buches kommen wir immer besser zurecht. Von den anderen Seglern in Salvador hören wir mit Schrecken Horrorgeschichten über mit Macheten bewaffnete Straßenräuber (Kamera und Tablet mussten dran glauben) oder über Gassen, die man keinesfalls betreten sollte (oft wird man als ahnungsloser Tourist beim Abbiegen von Einheimischen zurückgepfiffen). Wir fühlen uns bisher in Jacare und auch in Joao Pessoa absolut sicher, kein einziges Mal hatten wir auch nur ein ungutes Gefühl. Im Gegenteil, die Leute sprechen zwar kaum Englisch, sind aber unglaublich freundlich, bemüht und hilfsbereit. Jeder scheint gut drauf zu sein, man sieht überall lachende Gesichter, Hektik kommt nirgends auf (und wäre bei dieser Hitze auch absolut unvorstellbar). Wenn das der “Brazilian Way of Life” ist, so können wir Milan in Mindelo gut verstehen, der schon seit langem davon träumt, nach Brasilien auszuwandern. Trotzdem bemühen wir uns, nicht leichtsinnig zu werden und beachten die Grundregeln.
Auf der Straße spricht uns Jay an, ein älterer Brasilianer, der sehr lang in New York gelebt hat, ausgezeichnet Englisch spricht und froh ist, selbiges mal wieder ausprobieren zu können. Wir verabreden uns für einen Samstag am Strand. Allerdings spielt das Wetter nicht ganz mit, nach kurzer Zeit ziehen einige richtig heftige Regenschauer durch und wir flüchten in die Garage unter Jays Appartment. Trotzdem konnten wir zumindest kurz im Meer schwimmen, und wir sind wirklich verblüfft über die Badewannentemperatur.
Mit den anderen Seglern in Jacare kommen wir auch schnell in Kontakt und fixieren für Freitag Abend eine gemeinsame Grillparty. Die Runde ist international, viele der Segler haben schon lange Reisen hinter sich und sind kurz davor, ihre Weltumsegelung zu vollenden. Sowohl die Holländer Anita und Dick als auch der Australier Toby mit seiner argentinischen Freundin Julie sind zum Beispiel von Südafrika aus nach Jacare gesegelt. Dann sind da noch die deutschen Elke und Jochen von der VITANIA, der britische Ex-Navy-Ingenieur und Verschwörungstheoretiker Mike und seine brasilianische Frau Clarissa und ihre Freundin Leni, der Russisch-Australier Chris mit seiner von den Philipinen stammenden Frau, ein zweites niederländisches Paar und noch einige andere. Clarissa kommt aus der (laut ihren Angaben) Grill-Hauptstadt Brasiliens und nimmt die Organisation in die Hand. Ich erfahre, dass ich ein völlig falsches Fleisch eingekauft habe; Gutes Grillfleisch muss zumindest aus Paraguay oder Argentinien stammen und vakuumverpackt sein. Außerdem habe ich das Würzen komplett versaut, mehr als ein paar Körner grobes Salz direkt auf das Fleisch, während es schon am Grill liegt, sind nicht nötig. Ich darf kosten und der Geschmack gibt ihr eindeutig recht, wieder was dazugelernt. Es wird ein lustiger Abend, im Zuge dessen wir uns mal auf deutsch, meist auf englisch und manchmal auf französisch oder portugiesisch unterhalten, einige neue Speisen kosten dürfen und ich zum ersten Mal “echten” Caipirinha mit richtigem brasilianischem Cachaca probiere.
Freut uns, wenn ihr euch im fernen, fremden, heißen Brasilien so gut zurecht findet!
Das neueste von uns: heute hat´s geschneit! Aus ist´s mit dem Frühling!
Am Samstag versuche ich einen perfekten Osterstriezel zu flechten und nehm mir dabei Michi als Vorbild!
Beste Grüße
Maria und Wolfgang
Wünschen euch ein fohes Osterfest aus dem kühlen und windigen Frankenau,
vielleicht hoppst der Osterhase auch bei euch vorbei.
Ein Osterschinken, Eier und Schoko wären nicht schlecht, oder??
Wir freuen uns schon und fahren morgen nach Neckenmarkt zum
Familytreff.
Alles liebe, passt auf euch auf GERTI