geschrieben von Mischa in Braye, Alderney · 29.08.2014 · 5 Kommentare ·

Als wir am Freitag Früh wegen anderen Kleinteilen in St. Vaast nochmal zum Segelzubehörgeschäft gehen, empfängt uns der Besitzer mit einer guten Nachricht: Unsere bestellten Ersatzteile sollen heute Mittag hier eintreffen! Drei Stunden später können wir auch wirklich unsere nagelneuen Motorlager in Empfang nehmen und machen uns auch gleich ans Einbauen. Die Arbeit dauert bis spät abends, der Motor ist mit 120kg nicht gerade leicht, aber wir kriegen es irgendwie hin. Natürlich testen wir das Ganze auch gleich, und siehe da, es hat sich wirklich ausgezahlt! Der Motor läuft unwahrscheinlich ruhig und vibrationsarm, kein Vergleich zu vorher.
Am nächsten Morgen machen wir uns auch gleich auf den Weg rund um den Point de Barfleur nach Omonville (Cherbourg kennen wir ja schon und lassen es bewusst aus). Bei Westwind segeln wir die Küste entlang nach Norden bis zum Kap, wo wir den Motor starten. Wind und Strom produzieren eine konfuse See mit hohen und unangenehm steilen Wellen, und wir werden ziemlich durchgeschüttelt. Auch unsere neuen Motorlager müssen sich gleichmal bewähren, funktionieren aber tadellos. Abends kommen wir in Omonville, einem kleinen Ort schon fast am Kap de la Hague, an und machen an einer Gästeboje fest. Der Hafen ist nach Westen gut geschützt, einen kleinen Wellenbrecher gibt es auch, aber trotzdem kommt unangenehmer Schwell in den Hafen. Außerdem schlägt die überdimensional große Boje andauernd außen gegen das Schiff und hinterläst leider deutliche Spuren in unserem blauen Lack. Selbst mit sehr langen Leinen und Fendern lässt sich das Problem nicht beben, der Schwell wirft uns immer wieder gegen die Boje und wir verlieren sogar einen Fender. An Schlaf ist bei dem Lärm und Geschaukel nicht zu denken, obwohl wir sogar testweise in die Achterkabine übersiedeln, und so starten wir bei Sonnenaufgang und günstiger Strömung den Motor und fahren die 10 Meilen zurück nach Cherbourg. Die Stimmung an Bord ist natürlich gedrückt, vor allem Jaqueline empfindet die Fahrt in die eigentlich “falsche” Richtung als Niederlage und wir fluchen ein bisschen auf das Wetter. In Cherbourg machen wir im Port Chantereyne, einem großen, aber übersichtlichen Yachthafen mit netten Leuten und wunderschönen, ganz neuen Sanitärräumen fest und unsere Stimmung steigt wieder.

In Cherbourg rüsten wir uns für die kommenden Schlechtwettertage aus: Während der vergangenen Regentage haben wir beide fleißig Harry Potter gelesen, und Jaqueline entdeckt in einem Supermarkt ein DVD-Set mit allen acht Filmen. Es kann also nichts mehr passieren!

21 Stunden Harry Potter!

21 Stunden Harry Potter!

Ein paar Tage bleiben wir in Cherbourg, bis der Wetterbericht für die Nacht von Dienstag auf Mittwoch für ein paar Stunden Ostwind vorhersagt, bevor das nächste Tief durchzieht und Südostwinde bringt. Das wollen wir nutzen, um nach Alderney, der drittgrößten Kanalinsel zu segeln. Dafür müssen wir aber das berüchtigte Alderney Race, ein Gebiet mit gefürchteten, starken Tidenströmen und dementsprechend unangenehmen Wellen queren. Der Hafenführer schlägt ein genaues Zeitfenster vor, dass zur Querung benutzt werden soll, und so legen pünktlich um Mitternacht in Cherbourg ab. Tatsächlich kommt ein schwacher Wind aus Osten und wir segeln bis zum Kap de la Hague. Dahinter verlässt mich ein bisschen der Mut, ich entscheide, die Segel wegzunehmen und wir starten den Motor, ich will das Alderney Race möglichst schnell hinter mir haben. Das gelingt uns auch, und wie! Wind und Strom schieben uns beide von hinten an, und wir rasen mit 10 Knoten Durschnittsgeschwindigkeit (!!!) über Grund auf Alderney zu (Maximum: 12,4 Knoten). Mit viel haben wir gerechnet, aber damit nicht, und wir merken, dass wir viel zu früh in Alderney ankommen werden. Gas wegnehmen reduziert unsere Geschwindigkeit gerade mal um 3 Knoten, deshalb drehen wir den Bug zurück Richtung Frankreich und geben Vollgas. Trotzdem schiebt uns der Strom mit 2 Knoten auf Alderney zu. Wir haben zum Glück rechtzeitig reagiert und es sind noch einige Meilen Raum, trotzdem war ich wohl schon mal mehr entspannt….
Zweieinhalb Stunden lang treiben wir so langsam auf unser Ziel zu, dann wird der Strom weniger, es ist bald Hochwasser in Alderney. Wir drehen erneut um und laufen vorsichtig in den Hafen ein, Jaqueline hält uns genau auf der Richtfeuerlinie. Dann haben wirs geschafft und lassen im ersten Morgengrauen den Anker fallen. Wir sind noch recht weit vom Land entfernt und deshalb liegt das Boot unruhig im Schwell, aber diesmal ist uns das egal und wir schlafen beide erstmal ein bisschen. Später holen wir dann den Anker wieder auf und verlegen das Boot weiter nach innen in die geschützte Bucht. Dann kommt auch schon der Hafenmeister längsseits, wir bezahlen die interessante Ankergebühr (5 britische Pfund oder 5 Euro, wobei Euro bevorzugt werden?) und müssen, da die Kanalinseln nicht zur EU gehören, ein Zollformular ausfüllen. Ordnungsgemäß deklarieren wir unsere Zigarren (danke Simon) und unseren Schnaps und paddeln an Land.

Absolut wahrheitsgemäße Angaben

Absolut wahrheitsgemäße Angaben

der innere Hafen von Alderney

Der innere Hafen von Alderney

Die SAILOR MOON (roter Kreis) in Braye Harbour, Alderney

Die SAILOR MOON (roter Kreis) in Braye Harbour, Alderney

Obwohl Alderney nur ca. 15 km von der französischen Küste entfernt liegt, ist die Insel (bis auf die französischen Straßennamen) durch und durch britisch. Am Funk ist fast noch mehr los als im ca. 100 Mal so großen Hafen von Dover (Highlight: “You can’t clear up your fishing gear here!” – “No, I’m waitin’ for me blimey crew!”), außer, dass sich hier jeder mit Namen kennt. Trotzdem will man – so scheint es – auf keinen Fall von Großbritannien abhängig sein, auf der 1900-Einwohner-Insel gibt es alles, was man so braucht. Anscheinend hat jeder hier irgendein kleines Geschäft oder Dienstleistungsunternehmen, auf der Hauptstraße drängen sich jedenfalls von Architekten über Gerüstbauer bis zu Immobilienhändler und Installateuren alle Arten von Firmen dicht zusammen. Auf den paar Straßen geht es geschäftig zu, bei unseren Spaziergängen über die Insel werden wir dauernd von Autos überholt. Die Währung ist zwar eins zu eins an den britischen Pfund gekoppelt, aber selbstverständlich gibt es eigene Scheine.
Uns gefällt es jedenfalls wahnsinnig gut hier, wir genießen Afternoon Teas im Clubhaus des Alderney Sailing Clubs, pflücken unglaublich viele Brombeeren oder erforschen die alten Befestigungsanlagen.

Selfie am ewig langen Wellenbrecher

Selfie am ewig langen Wellenbrecher

Brombeeren!

Brombeeren!

Die Victoria Street

Die Victoria Street

Jaqueline entspannt im Clubhaus des Segelvereins

Jaqueline entspannt im Clubhaus des Segelvereins

Der Westwind ist zwar immernoch da, aber an den Schwell haben wir uns mittlerweile gewöhnt, nur beim an-Land-paddeln im Dinghy (Laptop, Duschzeugs und Schuhe zum Wechseln inklusive) müssen wir manchmal ziemlich hart arbeiten und sind am Ende waschelnass. Am Wochenende soll der Wind jedoch auf Ost drehen, dann wollen wir weiter in die Bretagne.

Sonnenuntergang am Wellenbrecher

Sonnenuntergang am Wellenbrecher

Trocknen in der Sonne nach einer nassen Dinghyfahrt

Trocknen in der Sonne nach einer nassen Dinghyfahrt

Regen uns Sonne wechseln einander ab

Regen uns Sonne wechseln einander ab


5 Comments

  1. Ich bin wirklich froh, dass ich beim Starkstrom nicht dabei war, da hätte ich erstens gekotzt
    und zweitens Angst gehabt.

    Gratuliere zum erfolgreichen Motorumbau!
    Viel Spaß noch auch Alderney und mit Harry Potter!
    Am Montag ist Schulbeginn, nur zu Information!

    Herzliche Grüße
    Maria

    • Seas!
      Also geschaukelt hats garned so…aber jetzt in alderney würds dir wahrscheinlich am ankerplatz mulmig werden, da wackelts ordentlich 🙂

      am di sollst weitergehn in die bretagne, und dann am Fr über die biskaya, dann simma endlich in spanien!!

      LG

  2. Das kräftige Tief im Norden sollte Euch ja jetzt kaum treffen….
    Alles Gute!
    Meine Erinnerungen an Cap Finisterre sind mir noch sehr präsent.
    Werde nächtens viel Zeit haben und an Euch denken 😉
    Was macht die SW-Funkgeschichte?
    lg Wolfgang

  3. Hallo ihr beiden! Hoffe euch gehts gut und ihr habt besseres Wetter wie wir. Toll wie ihr all die kniffligen Situationen meistert.haben heute die Rohkonstruktion unseres Dachstuhls montiert.(bei miesen Wetter)
    Übrigens die Admira hat ganz verdient(stehend ko) eine inferiore Austria geschlagen.Wünsche euch eine gute und problemlose Weiterfahrt.Ahoi Bete für euch um gutes Wetter Ciao Ciao

  4. Bravo
    Gratulation zur Biskaya überfährt
    Ihr seid soooooo lässig
    Freu mich sehr
    Liebe Grüße

    Ach ja

    Bericht dringend erwartet
    Mz.

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