Irgendwann beschließen wir dann doch, den Ankerplatz in Bayona zu verlassen und unser nächstes Ziel in Angriff zu nehmen: Lissabon! Jaqueline hat für den 8. Oktober einen Flug nach Hause gebucht, deshalb lassen wir Porto aus und wollen direkt in bzw. kurz vor die portugiesische Hauptstadt. Für die 220 Seemeilen (ca. 400 km) planen wir drei Tage ein. Jaqueline ist wieder voll fit und wir beide freuen uns auf einen neuen Hafen.
Am Montag, den 29. September, holen wir am Vormittag den Anker auf und verlassen die Bucht von Bayona unter Motor. Es ist wie vorhergesagt wenig Wind und kaum Schwell, das ist uns aber nur recht, unser Selbstvertrauen hat nach dem Unfall ein bisschen gelitten und wir wollen uns langsam wieder ans Segeln herantasten. Am Nachmittag kommt leichter Nordwind auf, wir drehen den Motor ab und setzen die Genua. Das Großsegel, so haben wir es ausgemacht, wollen wir auf dieser Strecke erstmal nicht benutzen. Am Abend nimmt der Wind auf ca. 3-4 Windstärken zu, wir kommen gut voran, das GPS zeigt zwischen 3 und 5 Knoten. Unsere Selbststeueranlage kommt auch mit dem sich entwickelnden Seegang recht gut zurecht, nur selten läuft die SAILOR MOON aus dem Ruder und muss per Hand wieder auf Kurs gebracht werden. Allerdings lassen die von hinten anrollenden Wellen unser Boot stark hin und her rollen, sodass ich in der ersten Nacht kaum eine Stunde schlafen kann, Jaqueline liegt in ihrer Freiwache meist auch in der Hundekoje kann nur ein bisschen dösen. Möglicherweise hätte ein Ausbaumen der Genua oder das Großsegel die Schiffsbewegungen angenehmer gemacht, aber uns ist nicht nach Experimentieren zu Mute, das verschieben wir auf später.
Der nächste Tag bringt Sonnenschein, guten Wind und haufenweise Delfine. Wir spielen ein bisschen mit der GoPro und versuchen, Unterwasseraufnahmen von den Delfinen zu bekommen, allerdings mit nur bescheidener Ausbeute. Die zweite Nacht verläuft ähnlich schlaflos. Die SAILOR MOON und unsere Selbststeueranlage sind den mittlerweile zwei bis drei Meter hohen, achterlichen Wellen durchaus gewachsen, die Crew ein bisschen weniger. Seekrank sind wir nicht, nur schlafen will einfach noch nicht wirklich klappen, da müssen wir noch üben. Aber auch diese Nacht geht irgendwie vorbei, im Morgengrauen passieren wir Peniche und die vorgelagerten Inseln, der Wind schläft ein und wir starten den Motor. Am Nachmittag kommt dann auch schon das beeindruckende Cabo Roca in Sicht, der Wind frischt nochmal auf, wir sind aber schon so gut wie da und laufen unter Maschine in die Marina von Cascais ein. Cascais ist ein mondäner Ferienort ca. 15 km vor Lissabon, hat wunderschöne Strände, viele hübsche Restaurants und eine nette Fußgängerzone. Die Marina ist äußerst nobel und normalerweise so gar nicht unsere Preisklasse, aber von Jochen von der JURMO haben wir erfahren, dass ab Oktober hier andere Preise gelten und die Marina dann die billigste in der Umgebung ist. Die fancy Ausstattung bleibt, und rein zufällig (oder wie geplant?) machen wir genau am 1. Oktober am Gästesteg fest, wo wir zum ersten Mal auch einige andere Fahrtensegler treffen.
Mit Susanne, Jochen und ihrem Sohn Jakob von der JURMO haben wir uns schon in Cangas gut verstanden, die drei bleiben auch eine Woche in der Marina, und gemeinsam grillen oder kochen wir oder setzen uns Abends noch auf ein paar Bier zusammen. Ansonsten genießen wir die Strände, fahren für einen Tag mit dem Zug nach Lissabon oder radeln durch Cascais. Damit wir zwischen all den topgestylten Portugiesinnen und Portugiesen nicht negativ auffallen, besorgt sich Jaqueline einen Brazilian-Style-Bikini und stutzt mir den Bart. Bei meinen Haaren verlässt sie allerdings mittendrin der Mut, und ich radle mit einem halben Haarschnitt zum Friseur. Die Friseurin spricht nur portugiesisch und spanisch und lässt mich in einem Fotobuch eine Frisur wählen. Heillos überfordert tippe ich auf irgendein Foto, sie schneidet drauflos und findet das Ergebnis „beautiful“. Jaqueline ist auch zufrieden, wir können uns wieder sehen lassen!
Nach einer Woche bringe ich Jaqueline nach Lissabon zum Flughafen. Im Gepäck hat sie hauptsächlich ausgelesene Bücher und ein paar andere Dinge, die uns aus irgendwelchen Gründen auf dem Schiff unentbehrlich erschienen sind, jetzt aber nur wertvollen Stauraum verbrauchen (z.b. Hausschlapfen ?!?). In ein paar Tagen wird sie wiederkommen, dann wollen wir uns so richtig auf den Atlantik wagen, das Ziel heißt Madeira. Noch im Zug nach Lissabon stellen wir eine Liste auf, die ich inzwischen abzuarbeiten habe: Deck streichen, Fenster abdichten, PACTOR-Modem einbauen und so weiter. Und natürlich den Motor reparieren! Leider dürfte ein Teil des Motoröls einen Weg in die Kühlflüssigkeit gefunden haben, das heißt wohl Zylinderkopfdichtung im Eimer. Ersatzteile sind bestellt, ob ich mich selber an die Reparatur wage oder doch einen Mechaniker vor Ort hinzuziehe, muss ich erst entscheiden. Unser 81-jähriger, französischer Bootsnachbar ist jedenfalls um gute Ratschläge nicht verlegen. Er ist ehemaliger Marineoffizier, Schiffskapitän, Skipper mit insgesamt 24 Atlantiküberquerungen und jetzt mit seinem Boot auf dem Weg nach Tunesien. Bewunderswert für sein Alter! Eigentlich wollte er schon längst wieder unterwegs sein, jedoch musste er kurz nach der Hafenausfahrt umdrehen. „Heart problems“, erklärt er mir. Auf meine Frage, wie es ihm gehe, wehrt er entrüstet ab. Doch nicht er, nein, sein um mindestens 50 Jahre jüngerer Mitsegler habe Probleme mit dem Herz, und ob wir vielleicht einen Flug nach Paris für ihn heraussuchen könnten? Daraufhin zündet er sich seine obligatorische Pfeife an. Wie konnte ich nur so falsch liegen?
Danke fuer den Superbericht!
Da faengt der Tag gleich anders an! :-)))
Wo+Ma
Hallo ihr beiden bzw. mischa, Wir verfolgen eure Reise weiterhin mit Spannung mit sehr viel hochachtung.
Es freut uns ungemein das es euch so gut geht.Schade mit dem Motor aber lass lieber einen Fachmann dran, ich denke je weiter ihr südlich kommt umso schwieriger und vorallen Dingen teurer wird es.
Uns geht es gut aber wie immer kaum Zeit.
Bin seit einer Woche wieder in der Schule am Wochende und mache doch noch den Sportbootführerschein SEE den ich wenn alles klappt Anfang November in den Händen halten werde.
An unserem Boot geht es leider sehr langsam voran (kennt ja Heino) aber was nützt es,- dieses Jahr ist eh gelaufen und außerdem heißt es ja “Was lange dauert hält auch lang”.
Hab euch grad noch per e-mail ein paar Bilder gesendet.
So nun wünschen wir euch eine gute Überfahrt über den Atlantik nach Madeira und passt gut auf euch auf.
lg
Sonja & Jürgen